Sprache und Sprachlosigkeit

Als ich letzten Sommer auf Anhieb eine Anstellung in der Gastronomie gefunden hatte, waren meine italienischen Sprachkenntnisse noch sehr dürftig. Zwar konnte ich aus dem Französischen einiges herleiten, doch dies nur dann, wenn jemand sich die Zeit nahm, langsam und im direkten, einzelnen Gespräch mit mir zu kommunizieren. Und wenn ich dann etwas verstanden hatte, so war der schwierigere Part sicherlich der, darauf eine Antwort zu geben. Wie kommuniziert man, wenn man über keinen ausreichenden Wortschatz verfügt? Wie geht man mit dieser Situation der Sprachlosigkeit um? Was macht es mit einem? Und wie gelang es mir, langsam ein wenig Sicherheit zu bekommen?

Die ersten Tage waren schwierig. Ich hatte ein paar Fragen vorbereitet und einige Sätze herausgeschrieben, damit ich den Kollegen von mir und meinem Leben erzählen konnte. Doch schnell waren die erlernten Sätze aufgebraucht und ich stand dort mit großen, fragenden Augen, stets darum bemüht, zu verstehen, was untereinander kommuniziert wurde und was man mir mitteilen wollte. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, welch gewichtige Rolle sowohl die Sprache, wie auch die Fähigkeit, sich gut auszudrücken, spielen und welche Bedeutung diese für die gesamte zwischenmenschliche Wahrnehmung und Interaktion haben. 

Als jemand, der sehr kommunikativ ist, Sprache und Austausch liebt, freudig Geschichten und kleine Anekdoten erzählt und gerne kreativ mit Sprache experimentiert, hat es mich teilweise regelrecht geschmerzt, wenn ich Worte oder Sätze mitteilen wollte, aber in meinem Kopf einfach nur eine Leerstelle war. Dunkelheit. Gnadenlose Dunkelheit. Kein Schimmer einer Ahnung, nichts, an das ich mich herantasten konnte. Da war kein Klang eines verwandten Wortes, waren keine Synonyme, keine Sätze, die sich bereits wie von selbst mühelos aneinandergereiht hätten. Kein Fluss, keine Verspieltheit, keine tausend Möglichkeiten. Sondern einfach nur Stille. Anstrengung, Verstummen, Zurückhalten und immer wieder dem Moment hinterherhinken, in dem man noch etwas Sinngemäßes hätte beisteuern können. Verpasst, zu langsam, kein vollständiger Satz. Schlucken, weitergehen, weitermachen, aber in sich das Gefühl, von einem auf den anderen Moment einen Teil seiner Fähigkeiten verloren zu haben. Was jedoch recht schnell vergeht, sobald man mit der neuen Sprache vertrauerter wird. 

Anfangs sind es einzelne Worte, die man aus dem melodischen Singsang heraushört, die aufblitzen, hell sind, klar und deutlich hervorgehoben werden, sich vom Hintergrund ablösen. Die zugänglich werden, gezähmt, geordnet, verlässlich und ordentlich. Die ins Regal des Wortschatzes einsortiert, und bei Bedarf abgerufen werden können. Dann werden es Satzfragmente. Bis man irgendwann merkt, dass man den Großteil versteht und einige Lücken durch den Kontext ergänzt werden können. Ah, der Chef singt also jeden Abend von einem einsamen Strand im Dunkeln, von Liebe und Sehnsucht, von Schmerz und Vergangenheit…